Dorothee Sölle: Erinnere dich an Gotama
Erinnere dich an gotama jüngling aus reichem hause
der so behütet wurde um nicht zu sagen vermummt
dass er mit achtzehn jahren auf einem spaziergang durch den park
unheilbar erschrak für sein leben
er sah dort vier figuren
die man auch dir gern versteckt
die krankheit
den hunger
das alter
den tod
einer von diesen war schon genug
die mauer des gartens einzureißen
und den park zu verwüsten
und die goldenen steine
mit denen sein kleid besetzt war
schwarz zu machen für immer.
Da es nun vier waren und kein übersehen möglich
auch keine handvoll reis half
der alte hatte keine zähne
auch kein wort trost
der hungrige starb
auch kein beutel gold
der kranke konnte nicht gehen
auch kein vergessen
weil einer der vergissmeinnicht war der tod
da zog der aus dem schönen hause fort
und ließ kleider zurück und geld und ehren und eine frau
die jung war und gerade ein kind bekommen hatte
der gotama aber ging fort
weil er die vier gesehen hatte
Der nun von dem ich erzählen will
hat die vier auch getroffen als er durch sein land ging
in den höhlen nazareths sah er die krankheit
die rasselte dort mit der klapper
in der steinwüste traf er den hunger an
und die alten sah er vergeblich hocken bei jericho
den tod aber hat er getroffen als er am jordan stand
und sich taufen ließ von einem dem schlugen sie bald den kopf ab
Alle diese begegneten ihm
aber er wandte sich nicht ins gebirge der weisheit
sondern er lud sie zum essen ein
an seinem tisch saßen sie
alter und hunger und krankheit und tod
auch zogen sie mit ihm die staubigen wege
wo es keinen schatten gab auf stunden
auch begleiteten sie ihn des nachts,
denn ich nehme an, dass er nicht gut schlief
gemeinhin.
Dorothee Sölle: Eine Störung
Während ich langsam lese
was auf dem achtteiligen pfad des buddha
die bare aufmerksamkeit ...
weiter >>>
Erinnere dich an gotama jüngling aus reichem hause
der so behütet wurde um nicht zu sagen vermummt
dass er mit achtzehn jahren auf einem spaziergang durch den park
unheilbar erschrak für sein leben
er sah dort vier figuren
die man auch dir gern versteckt
die krankheit
den hunger
das alter
den tod
einer von diesen war schon genug
die mauer des gartens einzureißen
und den park zu verwüsten
und die goldenen steine
mit denen sein kleid besetzt war
schwarz zu machen für immer.
Da es nun vier waren und kein übersehen möglich
auch keine handvoll reis half
der alte hatte keine zähne
auch kein wort trost
der hungrige starb
auch kein beutel gold
der kranke konnte nicht gehen
auch kein vergessen
weil einer der vergissmeinnicht war der tod
da zog der aus dem schönen hause fort
und ließ kleider zurück und geld und ehren und eine frau
die jung war und gerade ein kind bekommen hatte
der gotama aber ging fort
weil er die vier gesehen hatte
Der nun von dem ich erzählen will
hat die vier auch getroffen als er durch sein land ging
in den höhlen nazareths sah er die krankheit
die rasselte dort mit der klapper
in der steinwüste traf er den hunger an
und die alten sah er vergeblich hocken bei jericho
den tod aber hat er getroffen als er am jordan stand
und sich taufen ließ von einem dem schlugen sie bald den kopf ab
Alle diese begegneten ihm
aber er wandte sich nicht ins gebirge der weisheit
sondern er lud sie zum essen ein
an seinem tisch saßen sie
alter und hunger und krankheit und tod
auch zogen sie mit ihm die staubigen wege
wo es keinen schatten gab auf stunden
auch begleiteten sie ihn des nachts,
denn ich nehme an, dass er nicht gut schlief
gemeinhin.
Dorothee Sölle: Den Rhythmus des Lebens spüren. Inspirierter Alltag.
Hg.: Bettina Hertel / Birte Petersen. Freiburg/Br. u.a.: Herder 2001, S. 211
Eine Störung, aaO S. 14
Eine Störung, aaO S. 14
Während ich langsam lese
was auf dem achtteiligen pfad des buddha
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Bertold Brecht:
Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus
Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus
Gothama,
der Buddha, lehrte
Die Lehre vom Rade der Gier, auf das wir geflochten sind, und empfahl,
Alle Begierde abzutun und so
Wunschlos einzugehen ins Nichts, das er Nirwana nannte.
Die Lehre vom Rade der Gier, auf das wir geflochten sind, und empfahl,
Alle Begierde abzutun und so
Wunschlos einzugehen ins Nichts, das er Nirwana nannte.
Da
fragten ihn eines Tags seine Schüler:
«Wie ist dies Nichts, Meister? Wir alle möchten
Abtun alle Begierde, wie du empfiehlst, aber sage uns,
Ob dies Nichts, in das wir dann eingehen,
Etwa so ist wie dies Einssein mit allem Geschaffenen,
Wenn man im Wasser liegt, leichten Körpers, am Mittag
Ohne Gedanken fast, faul im Wasser liegt oder in Schlaf fällt,
Kaum noch wissend, dass man die Decke zurecht schiebt,
Schnell versinkend, ob dies Nichts also
So ein fröhliches ist, ein gutes Nichts, oder ob dies dein
Nichts nur einfach ein Nichts ist, kalt, leer und bedeutungslos.»
«Wie ist dies Nichts, Meister? Wir alle möchten
Abtun alle Begierde, wie du empfiehlst, aber sage uns,
Ob dies Nichts, in das wir dann eingehen,
Etwa so ist wie dies Einssein mit allem Geschaffenen,
Wenn man im Wasser liegt, leichten Körpers, am Mittag
Ohne Gedanken fast, faul im Wasser liegt oder in Schlaf fällt,
Kaum noch wissend, dass man die Decke zurecht schiebt,
Schnell versinkend, ob dies Nichts also
So ein fröhliches ist, ein gutes Nichts, oder ob dies dein
Nichts nur einfach ein Nichts ist, kalt, leer und bedeutungslos.»
Lang
schwieg der Buddha, dann sagte er lässig:
«Keine Antwort ist auf eure Frage.»
«Keine Antwort ist auf eure Frage.»
Aber am
Abend, als sie gegangen waren,
Saß der Buddha noch unter dem Brotbaum und sagte den andern,
Denen, die nicht gefragt hatten, folgendes Gleichnis:
Saß der Buddha noch unter dem Brotbaum und sagte den andern,
Denen, die nicht gefragt hatten, folgendes Gleichnis:
«Neulich
sah ich ein Haus. Es brannte. Am Dache
Leckte die Flamme. Ich ging hinzu und bemerkte,
Dass noch Menschen drin waren. Ich trat in die Tür und rief
Ihnen zu, dass Feuer im Dach sei, sie also auffordernd,
Schnell hinauszugehen. Aber die Leute
Schienen nicht eilig. Einer fragte mich,
Während ihm schon die Hitze die Braue versengte,
Wie es draußen denn sei, ob es auch nicht regne,
Ob nicht doch Wind ginge, ob da ein anderes Haus sei,
Und so noch einiges. Ohne zu antworten,
Ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich,
Müssen verbrennen, bevor sie zu fragen aufhören. Wirklich, Freunde,
Wem der Boden noch nicht so heiß ist, dass er ihn lieber
Mit jedem andern vertausche, als dass er da bliebe, dem
Habe ich nichts zu sagen.»
Leckte die Flamme. Ich ging hinzu und bemerkte,
Dass noch Menschen drin waren. Ich trat in die Tür und rief
Ihnen zu, dass Feuer im Dach sei, sie also auffordernd,
Schnell hinauszugehen. Aber die Leute
Schienen nicht eilig. Einer fragte mich,
Während ihm schon die Hitze die Braue versengte,
Wie es draußen denn sei, ob es auch nicht regne,
Ob nicht doch Wind ginge, ob da ein anderes Haus sei,
Und so noch einiges. Ohne zu antworten,
Ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich,
Müssen verbrennen, bevor sie zu fragen aufhören. Wirklich, Freunde,
Wem der Boden noch nicht so heiß ist, dass er ihn lieber
Mit jedem andern vertausche, als dass er da bliebe, dem
Habe ich nichts zu sagen.»
So
Gothama, der Buddha.
Aber
auch wir, nicht mehr beschäftigt mit der Kunst des Duldens,
Eher beschäftigt mit der Kunst des Nichtduldens und vielerlei Vorschläge
Irdischer Art vorbringend und die Menschen beschwörend,
Ihre menschlichen Peiniger abzuschütteln, meinen, dass wir denen, die
Angesichts der heraufkommenden Bombenflugzeuggeschwader des Kapitals noch allzu lang fragen,
Wie wir uns dies dächten, wie wir uns das vorstellten
Und was aus ihren Sparbüchsen und Sonntagshosen werden soll nach einer Umwälzung,
Nicht viel zu sagen haben.
Eher beschäftigt mit der Kunst des Nichtduldens und vielerlei Vorschläge
Irdischer Art vorbringend und die Menschen beschwörend,
Ihre menschlichen Peiniger abzuschütteln, meinen, dass wir denen, die
Angesichts der heraufkommenden Bombenflugzeuggeschwader des Kapitals noch allzu lang fragen,
Wie wir uns dies dächten, wie wir uns das vorstellten
Und was aus ihren Sparbüchsen und Sonntagshosen werden soll nach einer Umwälzung,
Nicht viel zu sagen haben.
Bertolt Brecht: Hundert Gedichte 1918-1950. Berlin 1962, S.116 f.
[aus den Kalendergeschichten, rororo TB 10077, Rowohlt 1988]
CC[aus den Kalendergeschichten, rororo TB 10077, Rowohlt 1988]
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