Gedanken zu einer
Predigt über Hebräer 5,7-9
Jesus hat in den Tagen seines irdischen Lebens intensiv
zu Gott gebetet, ja geschrien und bitterlich geweint [das ist die
Erfahrung im Garten Gethsemane]. Nur Gott
konnte ihm aus den Todesängsten helfen. Er wurde von Gott erhört, weil er sich
in Ehrfurcht vor ihm beugte. Obwohl er in seiner Gottesnähe als Sohn
privilegiert war, fügte er sich gehorsam in sein Leiden. Als Vollkommener wurde
er für alle, die auf ihn hören, zum Urheber ewiger Rettung.
Diese Verse sind
schon ein Vorblick auf die in Kürze beginnende Passionszeit. Sie sind deshalb so beeindruckend, weil wir hier
Jesus ganz als Menschen erleben. Und zum Menschsein gehört auch Angst, ja auch schreckliche
Angst.
„Alle menschliche
Angst ist im Grunde, das heißt, seit der
Geburt, Trennungsangst. Angst macht einsam, Angst isoliert, macht sprachlos …
Unsere zahllosen Ängste verdichten sich immer wieder zu einer allgemeinen
‚Lebensangst‘. Das ist die gesteigerte, diffuse Angst, die sich ausbreitet,
sich verselbständigt und Menschen ihr
Selbstvertrauen, ja ihre Identität raubt. Sie kann als ‚Angst vor der
Angst‘ bezeichnet werden. Sie wird übermächtig und treibt den Menschen in die Enge, wenn sie nicht identifiziert wird
oder wenn sie verschwiegen wird. Dann empfindet der Mensch seine eigene Lage
als ausweglos. Er kennt sich selbst nicht mehr … Aus der Angst muss der Mensch
‚gerissen‘ werden. Das ist die Erfahrung des Glaubens in der Angst. In der Erinnerung
der Angst Christi ereignet sich und wiederholt sich, was Christus bereits für
uns getan hat: er hat die Angst der ‚Gottverlassenheit‘, diese Trennungsangst
ertragen und denen den Weg durch sie hindurch gebahnt, die ihm vertrauen und
ihm nachfolgen!“
Jürgen Moltmann (geb. 1926): Gotteserfahrungen.
Hoffnung, Angst, Mystik.
Kaiser Traktate. München: Kaiser 1986, S. 31f, 42f (Unterstreichungen von mir)
Kaiser Traktate. München: Kaiser 1986, S. 31f, 42f (Unterstreichungen von mir)
In der Gegenwart gibt
es eine Verstärkung dieser diffusen
Ängste – vor den Flüchtlingen, vor dem Terrorismus, vor dem Islam, vor der in
vielen Bereichen wachsenden Gewaltkriminalität.
Diese Ängste sind ernst zu nehmen. Sie sind oft mit Mutlosigkeit gekoppelt: Manchmal allerdings entwickelt sich daraus auch eine Aggression gegen die Anderen: Gewalt und Hasstiraden in Worten: Facebook und Twitter sind derzeit voll davon, aber auch Politiker aus der eher rechten Szene haben immer weniger Hemmungen. Oft hört man dann noch die seltsame Begründung: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen ! Hinzu kommt auch eine immer brutaler werden körperliche unpolitische Gewalt – oft gegen Unbeteiligte. Sogar Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter werden immer häufiger direkt angegriffen. Das alles können wir derzeit beunruhigend erleben und schürt zusätzliche Ängste.
Diese Ängste sind ernst zu nehmen. Sie sind oft mit Mutlosigkeit gekoppelt: Manchmal allerdings entwickelt sich daraus auch eine Aggression gegen die Anderen: Gewalt und Hasstiraden in Worten: Facebook und Twitter sind derzeit voll davon, aber auch Politiker aus der eher rechten Szene haben immer weniger Hemmungen. Oft hört man dann noch die seltsame Begründung: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen ! Hinzu kommt auch eine immer brutaler werden körperliche unpolitische Gewalt – oft gegen Unbeteiligte. Sogar Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter werden immer häufiger direkt angegriffen. Das alles können wir derzeit beunruhigend erleben und schürt zusätzliche Ängste.
Aber das ist nicht
neu. Schon Jesus erlebte im Garten
Gethsemane nicht nur Unruhe, sondern maßlose Verzweiflung. Und doch gibt es
dort eine erstaunliche Wendung: Jesus erfährt in der Todesangst offensichtlich eine
Kraftquelle und neuen Mut. Im Lukasevangelium heißt es (22,43): „Es erschien Jesus
aber ein Engel vom Himmel und stärkte
ihn“. Das Seltsame: Gott holt Jesus nicht aus der Verzweiflung heraus, sondern
stärkt ihn in der Verzweiflung.
Der Schweizer katholische Theologe, Autor und spirituelle Begleiter, Pierre Stutz (geb. 1963) hat das in einem Buch verdeutlicht, indem er kleine Szenen aus verschiedenen Filmen zusammengestellt hat:
Der Schweizer katholische Theologe, Autor und spirituelle Begleiter, Pierre Stutz (geb. 1963) hat das in einem Buch verdeutlicht, indem er kleine Szenen aus verschiedenen Filmen zusammengestellt hat:
Pierre Stutz: Geh hinein in deine Kraft.
50 Filmmomente fürs Leben. Freiburg u.a.:
Herder 2016
Aus
diesen kleinen oft alltäglichen Filmszenen, die man sich immer wieder anschauen
kann, schöpft er den Aufruf: Vertraue in
deine Verwandlungskraft.
Die Chancen des Vertrauens zu sich selbst
setzt er in sieben Ermutigungen um:
1 1. Bleib bei dir / sammle dich: Wie
oft stehen wir täglich in Gefahr, uns zu
verzetteln, also manchmal nicht mehr zu wissen, wo stehe ich eigentlich? Das
bedeutet zuerst: Anhalten, Einhalten, wirklich eine Pause machen. Angesichts der alltäglichen Hektik sich
vielleicht nur wenige Minuten in die
Stille zurückzuziehen und zu beten. Das macht den Blick wieder frei, auch
von mir selbst und öffnet die Augen für den anderen. Im bewussten Da-Sein kann ich mich wirklich dem anderen zuwenden,
auch mit ihm mitzuleiden und sein Leben wirklich zu teilen. und zu beten.
Beispiel: Flüchtlinge
2 2. Du bist mehr als deine Verletzungen: Es ist
die Mahnung, sich nicht immer in der Opferrolle zu sehen, sondern Leid und Schmerz als Chance wahrzunehmen
und zu wachsen. Unsicherheit und Verlorenheit sind die Dunkelseite, um das
Licht der Auferstehung, des Neubeginns zu verstehen.
3 3. Erwache zum Träumen und geh in Würde deinen
Weg!: „Wach auf aus dem Schlaf der Ohnmacht und der
Oberflächlichkeit. Lass dich nicht blenden von großen Stars. Entdecke den
Kraftstern in dir“, lautet der Weckruf von Pierre Stutz. Sei du selbst und
nicht die Kopie irgendeines Medienstars, miss dich nicht an den anderen, die
scheinbar alles besser können als du.
4 4. Spiel dich ins Leben hinein:
Menschsein ist mehr als Leistung zu bringen. Das bedeutet aber auch, dass weder
der Erfolg noch das Scheitern zur Lebensmaxime werden dürfen. Spielen – wie die
Kinder das tun, der Blick auf den Spielplatz: Kinder vergessen alles um sich
herum und sind ganz bei diesem Spiel.
5 5. Wachse am Widerstand: Kaum
ein Leben verläuft glatt oder gar nach Plan. Gerade angesichts zerbrochener Hoffnungen, kann ich wachsen und reifen. In
einer Welt voller Gewalt brauchen wir einen spirituellen Umgang mit der Lebenskraft der Aggression, um sie in
eine positive Kraft umzuwandeln.
6 6. Du darfst scheitern:
Geradezu humorvoll hat das der Dramatiker und Literaturnobelpreisträger Samuel Beckett (1906–1989) ausgedrückt:
"Immer versucht, immer gescheitert, egal, versuche es wieder, scheitere
wieder oder scheitere besser“!
Beim Scheitern ist es wie beim Leiden, wir sollen es nicht suchen und nicht verherrlichen. Es gibt das Glück der Unvollkommenheit ist uns verheißen, wenn wir verstehen, dass wir auch scheitern können. „Nobody ist perfect“ kann man geradezu heiter und gelassen nehmen.
Beim Scheitern ist es wie beim Leiden, wir sollen es nicht suchen und nicht verherrlichen. Es gibt das Glück der Unvollkommenheit ist uns verheißen, wenn wir verstehen, dass wir auch scheitern können. „Nobody ist perfect“ kann man geradezu heiter und gelassen nehmen.
7. Sag JA
zu deinem Weg, das heißt auch: Versöhne dich mit deinem Weg: Es ist
oft schwer genug, sich mit den eigenen Eltern, mit der eigenen Herkunft, mit Erfahrungen des Ausgegrenztseins zu
versöhnen. Aber es ist zugleich die Chance, über sich hinauszuwachsen, den eigenen Schatten nicht als ständige
Belastung zu empfinden. Da entsteht ein grundlegendes Vertrauen, das
Dietrich Bonhoeffer in einem Gedicht, während seiner Gefangenschaft so enden
lässt:
Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich o Gott!
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich o Gott!
Dietrich Bonhoeffer: Widerstand
und Ergebung.
Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft.
Hg.: Eberghard Bethge. München: Kaiser 1961, S. 242–243 (16.07.1944)
Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft.
Hg.: Eberghard Bethge. München: Kaiser 1961, S. 242–243 (16.07.1944)
Der Hebräerbrief sagt
genau dieses: Jesus schreit im Garten Gethsemane in seiner Todesnot alle Ängste
und Schmerzen heraus, und er wird erhört,
weil er sich trotz allem auf Gott
verlässt. Das Ende der Passionsgeschichte Jesu gipfelt beeindruckend versöhnend
und versöhnlich am Kreuz. Jesus haucht sein Leben mit den Worten aus: „Es ist vollbracht“.
Sich auf Gottes Vollkommenheit einlassen,
wird so zu
einer Ermutigung für unsere Begrenztheit !
Und der
Frieden Gottes, der umfassender und höher ist als unsere Vernunft, unsere
Ängste, unsere Verzweiflung und unser Scheitern, dieser Frieden bewahre uns in der Lebenskraft Christi.
Vgl. Charter of Compassion:
Anregungen für Compassion, Mitgefühl und Empathie im täglichen Leben
Vgl. Charter of Compassion:
Anregungen für Compassion, Mitgefühl und Empathie im täglichen Leben
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