Sonntag, 1. Dezember 2013

Psalm-Variationen




Zu Gott - ohne Hemmungen: Die Psalmen als Sprachhilfe 

Zuerst erschienen in: Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau: Gottesdienste aus der Schulpraxis.
Iserlohner Con-Texte Nr. 7 (ICT 7),
Iserlohn [1990)], 1994, S. 83-93

Variation zu Psalm 107: Gott unterwegs zu uns

Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und  seine Güte währet ewiglich.
So sollen sagen, die befreit sind,
durch den Herrn,
die er aus der Not erlöst hat,
die irre gingen
zwischen Zeugniszensuren und Anerkennungsprämien,
die sich im Alltag der Arbeit nicht zurechtfanden,
deren Betrieb abgewickelt wurde
und deren Bergwerk dicht gemacht wurde,
deren Ehe zu Bruch ging,
deren Familie die Hölle auf Erden wurde;
die nicht wussten,
wozu sie eigentlich lebten;
die sich mit billigem Rotwein vollaufen ließen
und die Nadel setzten;
die hungrig waren nach Liebe
und durstig nach Hoffnung;
die im Dunkel des Unverständnisses sitzen mussten,
verkannt von Nachbarn und Verwandten,
fallen gelassen von der Wohlstandsgesellschaft,
angeschwemmt in den Hinterhöfen des Wachstums
und zusammengebrochen in den Bahnhofstoiletten,
deren Herz durch Unglück gebeugt war,
deren Seele voll war von Gift und Resignation -
und denen niemand half.

Wer rief für sie zum Herrn?
Wer hat sich zum Mund derer gemacht,
die die deutsche Sprache nur mühsam sprechen können?
Wer gab ihnen den Balsam der Liebe?
Wer kaufte sich nicht frei
durch Kollekten für Diakonie und Brot für die Welt?

Die zum Herrn rufen in ihrer Not,
und er hilft ihnen aus ihren Ängsten,
denen in den Sesseln aus weichem Leder
und denen auf den Brettern der Parkbank,
die sollen nicht bleiben im Elend,
weil der Herr schon unter ihnen ist.

Gott,
du bist unterwegs in den Absteigen,
du blickst in die Kälte der getäfelten Zimmer,
du hast schon geholfen,
du hast uns geholfen;
darum wollen wir danken für deine Güte;
du wirst der Bosheit das Maul stopfen:
und das Heer der Beschenkten strömt in die Wüste.
Sie werden Rufer im Staub unmenschlicher Hitze
und im Eis der kalten Herzen;
sie werden Mund der Verstummten;
denn Gottes Wohltaten haben noch lange kein Ende;
und seine Liebe kommt dennoch ins Ziel.

Nun ist es an uns,
dass viele erhoben werden
aus dem Staub,
in den sie getreten.
Viele sollen es sehen,
damit sie danken können,
daß sie entdecken
die Menschlichkeit Gottes
durch uns.

Das ist die Wahrheit,
die Wahrheit der Liebe.
Nur solche Liebe macht frei.
In ihr wollen wir bleiben,
damit Gottes Menschlichkeit wieder gilt.



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