Sonntag, 1. Dezember 2013

Aus dem Sizilianischen Tagebuch: Palermo



Cappella Palatina, um 1150 (aus: Wikipedia)
Nicht nur die griechischen und römischen Überrreste auf Sizilien, sondern auch - wie man heute sagen würde - das multikulturelle und multireligiöse Palermo des Mittelalters ist ein Ort hoher Faszination. Ein „Spitzenerlebnis“ dürfte bei diesen historischen Rundgängen die Palastkapelle von Palermo sein. In ihr befindet sich ein berühmtes Mosaik, auf dem der iranische Dichter, Mathematiker und Astronom, Omar Khayyam (1048-1131) und Johannes der Täufer auf den Christus Pantokrator zeigen, der als Weltenrichter in byzantinischer Ikonografie in der Apsis dargestellt ist. Der Blick des Christus aber geht in die Weite des Raumes auf die arabische Schriftornamentik, die sich als „Allah“/ „Gott“ enschlüsselt. Dies ist vom orthodoxen, lateinischen und islamischen Bild- und Theologieverständnis gleichermassen eine Provokation. Hier setzte sich die von Gott geschenkte Freiheit des menschlichen Geistes bis in den künstlerischen Ausdruck gegen dogmatische Engstirnigkeit durch:

             Der Schmutz mancher Strassen

             und das Gold der Paläste,

             sie muss es ertragen,

             Palermo, gesetzt an des Pilgers Berg,

             und sie erträgt’s,

             erträgt’s mit Fassung,

             mit der Fassung der alten Normannenkirchen,

             mit den Mosaiksteinen Byzanz’,

             mit dem schwingenden Barock

             ihrer einladenden Plätze.

             Ihre Beherrscher bauten,

             war sie doch Sitz von Königen,

             und doch nicht königlich,

             eher Mischung der Handelskontore und Märkte,

             wie sich in ihr einst fanden

             die Religionen.

             So preisen ihrer zwei in des Schlosses Kapelle

             den göttlich Künftigen.

             Sie zeigen gleichsinnend

             auf Adonaj, auf Allah?

             Ganz einfach: Auf Gott.

             Persischer Dichter

             und jüdisch-christlicher Prophet

             stehen Arm in Arm vor dem Höchsten.

             Damals klatschten Könige Beifall,

             heute blicken Priester und Pfarrer

             eher verschämt.

Erstfassung in: An-Deutungen. Iserlohn: Mönnig 1981, S. 40

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