Große
Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, aber nicht nur große Ereignisse
brauchen Vorbereitung. Die Vorbereitung, der sich Jesus vor seiner
Wanderpredigerzeit unterzog dauerte vierzig Tage, und zwar an einem Ort, der
nicht gerade für Ablenkungen bekannt ist: die Wüste. Das sollte sich aber
schnell als erheblicher Irrtum herausstellen.
Vierzig
Tage auf Speise zu verzichten, das mag ja noch angehen, aber vierzig Tage in
der Wüste legen auch die Nerven bloß. Da treten aus dem Dunkel des Unbewussten
mancherlei verwegene Gestalten auf, die die im Fasten gespeicherte Kraft auf
ihre Mühlen zu lenken versuchen, die abzulenken versuchen von sich selbst. Sich
selbst verlieren aber heißt, sein Menschsein verfehlen. In Zeiten des Verzichts kommen lange verdrängte
Fragen, Hoffnungen, Wünsche und Verletzungen wieder hoch. Fastenzeiten sind
darum immer auch Zeiten der Versuchung. Davon erzählen die drei Versuchungen Jesu, die sich in immer neuen
Variationen in der Seele eines jeden abspielen.
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt,
damit er vom Teufel versucht würde. Und als er vierzig Tage und vierzig Nächte
gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: "Bist du
Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden." Er aber antwortete und
sprach: es steht geschrieben (5. Mose 8,3): "Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes herausgeht" (Mt
4,1-4).
1. Versuchung: Der Hunger nach Leben
Wer sich so harten Entbehrungen unterzogen hat, weiß den Wert auch und gerade einer bescheidenen Speise zu schätzen. Wer solange gehungert hat, weiss um die elementaren Bedürfnisse des Menschen: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ (B.Brecht). Genau darauf setzt der Teufel, die Gestalt gewordene zweite Seite meines Ich, das auf alles Angenehme in dieser Zeit des Fastens verzichten musste. Was Wunder also, wenn man nach einer langen Magerkur Hunger hat. Aber das Wunder, daß aus Steinen Brot wird, findet nicht statt. Dafür findet ein anderes Wunder statt: materieller Verzicht hat spirituellen Reichtum zutage gefördert. Die Erinnerung an die Bibel hilft dabei, aber nicht immer, ganz im Gegenteil.
Wer sich so harten Entbehrungen unterzogen hat, weiß den Wert auch und gerade einer bescheidenen Speise zu schätzen. Wer solange gehungert hat, weiss um die elementaren Bedürfnisse des Menschen: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ (B.Brecht). Genau darauf setzt der Teufel, die Gestalt gewordene zweite Seite meines Ich, das auf alles Angenehme in dieser Zeit des Fastens verzichten musste. Was Wunder also, wenn man nach einer langen Magerkur Hunger hat. Aber das Wunder, daß aus Steinen Brot wird, findet nicht statt. Dafür findet ein anderes Wunder statt: materieller Verzicht hat spirituellen Reichtum zutage gefördert. Die Erinnerung an die Bibel hilft dabei, aber nicht immer, ganz im Gegenteil.
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige
Stadt und stellte ihn auf eine der Tempelbrüstungen und sprach zu ihm: ‘Bist du
Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Ps 91,11+12): >Er
wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf Händen
tragen, damit du deinen Fuss nicht an einen Stein stösst<. Da sprach Jesus zu
ihm: ‘Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6,16): "Du sollst den Herrn,
deinen Gott, nicht versuchen" (Mt 4,5-7).
2. Versuchung: Anerkennung und Bewunderung
Die Frommen sind nicht
besser als alle anderen Voyeure. Die Bibelkenntnis dient zur Rechtfertigung der
eigenen Interessen. Es ist schon phänomenal, wie unterschiedlich man die Bibel
benutzen und instrumentalisieren kann. Selbst Jesus lässt sich vom Versucher
mitziehen: Fasten in der Wüste ist absolut unspektakulär, keiner schaut zu,
aber von der Tempelbegrenzungsmauer zu springen, das schafft Ehre,
Begeisterung, Achtung und viele Fans, natürlich auch viele fromme Anhänger.
Diese biblisch untermauerte Versuchung ist noch tückischer. Jesus setzt gegen
seinen eigenen Geltungsdrang, gegen die eigene Eitelkeit, gegen sein eigenes
missionarisches Bewusstsein und gegen die Sensationslust der Zuschauer, ein
schlichtes: „Nein!“. Der Sprung von der Tempelmauer findet nicht statt. gerade
weil das Ich nicht durch Leistung und Ansehen gestärkt wird, darum wird es
stark. Das ist eine der seltsamsten Paradoxien: Gerade derjenige, der auf die
bewundernswerte Leistung verzichtet, baut sein Selbstbewusstsein auf.
Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr
hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach
zu ihm: "Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest."
Da sprach Jesus zu ihm: "Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose
6,13): >Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen<". Da
verliess ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm (Mt
4,8-11).
3. Versuchung: Die Verführung zur Macht
Sie ist die absolut gefährlichste Versuchung; und fast jeder
dürfte ihr schon erlegen sein, und jeder besonders, der mit Öffentlichkeit zu
tun hat. Nicht nur Politiker geniessen es zuweilen, wenn das geschieht, was sie
wollen, wenn sie wie man so schon sagt „an den Schalthebeln der Macht“ sitzen.
Der Versucher hätte auch einfach sagen können: „Dies alles will ich dir geben,
wenn du die Macht anbetest.“ Die noch so versteckte Gier nach der Macht ist am
schwersten zu überwinden. Darum lässt der Teufel gleich die Maske fallen.
Angesichts der Macht, die man haben könnte, braucht es kein Versteckspiel. Die
Verführung zur Macht braucht keine Umwege, sie trifft einen Schwachpunkt
menschlichen Daseins. Aber die Einsamkeit der Wüste hat Jesus gelehrt, die
Macht zu durchschauen. So notwendig sie ist, man darf sich ihr nicht beugen, darum verzichtet Jesus. Er erkennt das Teuflische der Macht, darum
läßt er sich mit vollem Risiko auf die Ohnmacht ein, auf die Macht der
Machtlosen, auf die Macht der Sanftmütigen.
Jesus
wurde vom Versucher auf einen sehr hohen Berg geführt: wahrhaftig eine riesige
Versuchung. Dagegen ist der Berg der Bergpredigt (Mt 5,1-10) ein eher
bescheidenes Hügelchen, aber dieser Berg der Bergpredigt hat es in sich, denn
in dieser Rede wird gesagt, wie man den größten Versuchungen widersteht und
damit zu wahrer Grösse heranreift.
Vier
Gegenpositionen, eigentlich "Positiv-Positionen"
1)
Offene Augen:
Man kann zwar vor der gegenwärtigen Situation die Augen verschliessen und sich
in irgendwelche frommen Wolkenkucksheime flüchten, aber irgendwann findet der
Absturz statt. Die „Wüste“ ist Realität. Sich ihr bewusst aussetzen, ermöglicht
auch, ihre Gefahren realistisch einzuschätzen. Nur so kommt ,an zu einem
„reinen Herz“ und einem „sanften Mut“. Hier werden nicht Steine in Brot
verwandelt, aber es findet die Verwandlung eines Menschen statt. Nicht umsonst
sagen viele Menschen nach einer Fastenkur, sie fühlten sich wie neugeboren. Das
ist ein Wunder der anderen Art.
2)
Sich Gerechtigkeit und Barmherzigkeit leisten können: Das unwahrscheinliche Wunder tun können und es nicht
tun, aus Ein-Sicht nicht zu springen und damit auf die Sensation und den
Beifall der Menge verzichten um sich nicht den Blick für das Wesentliche
verstellen zu lassen, das ist ein Sprung der anderen Kategorie: Der Sprung ins
Vertrauen, der Sprung in dem Wissen, gehalten zu werden und Veränderungen nicht
auf der Basis von macht und Gewalt durchsetzen zu müssen,, sondern aufgrund von
Ein-Sicht zu können.
3)
Die Freiheit entdecken: Das Los-Lassen der Macht und der Weg von der
Ein-Sicht auf das Sich-Ein-Lassen auf die Ohnmacht führt zu einer angeahnten
Freiheit. Manchen hat schon der freiwillige und manchmal auch der erzwungene
Verzicht auf eine berufliche Karriere oder das Erlangen von Ehre, Ruhm und
hohen Tantiemen zu einem spirituellen Meister gemacht. Angesichts unserer
zeitlichen, räumlichen und körperlichen
Begrenzungen kommt diese Haltung einem Bergsteiger ohne Sicherungsseil
gleich. Das ist auf der einen Seite, der Versuchung der Macht widerstehen. Das
ist auf der anderen Seite in der Ohnmacht die Macht der Liebe zu erkennen. Das
ist die eigentliche Revolution, nämlich die Machtverhältnisse umkehren. Nichts
fürchten die Mächtigen so sehr wie die Macht der Friedensstifter, deren sanfter
Mut jedes Abschreckungspotential psychologischer oder materieller Art ad
absurdum führt.
4) Frieden stiften: Wenn machtgeleitete Interessen aufgegeben, werden beginnt
Friedensarbeit, der eine der Seligpreisungen gilt: „Selig sind die
Friedensstifter.“ Frieden machen hat mit dem Fasten unmittelbar zu tun. Davon
erzählt schon der griechische Kirchenvater Basilius d.Gr. im 4. Jh. in einer
Predigt:
Wenn aber alle Völker den Rat des Fastens annähmen, um ihre Fragen zu regeln, würde nichts mehr verhindern, dass tiefster Friede in der Welt herrsche; die Völker würden nicht mehr gegeneinander aufstehen, und auch die Heere würden einander nicht mehr in Stücke hauen. Es würden an abgelegenen Strassen keine Wegelagerer auf der Lauer liegen, in den Städten gäbe es keine Denunziationen mehr und auf der See keine Seeräuber. Unser ganzes Leben wäre nicht in so hohem Grade vom Stöhnen und Seufzen erfüllt, wenn das Fasten es regelte. Das Fasten würde alle lehren, die Liebe zum Geld, zu überflüssigen Dingen und, im allgemeinen, die Neigung zu Feindseligkeiten aufzugeben.
zitiert in: Anselm Grün OSB. Fasten. Münsterschwarzacher Kleinschriften Nr. 23.
Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag 1984, S.19f)
Fasten schärft die Sinne,
Fasten macht nicht müde,
sondern gibt neue Kraft,
Fasten macht nicht müde,
sondern gibt neue Kraft,
beim Fasten öffnet sich der Himmel,
aber nicht sofort und nur für die Dankbaren.
aber nicht sofort und nur für die Dankbaren.
Fasten ist Nein sagen,
Nein zur täglichen Gier,
Nein zu Gewalt und Macht.
Fasten ist,
das Selbstverständliche
nicht selbstverständlich nehmen.
das Selbstverständliche
nicht selbstverständlich nehmen.
Fasten ist,
das wirklich Wichtige entdecken, allein durch Verzicht.
das wirklich Wichtige entdecken, allein durch Verzicht.
Verzicht allerdings hat seine Tücken.
Die Bibel nennt das Versuchung,
die Versuchung des
Größer, Schneller, Besser.
Die Bibel nennt das Versuchung,
die Versuchung des
Größer, Schneller, Besser.
Wir haben alle unsere Schwächen und
Macken.
Wir sitzen lieber am lecker gedeckten
Tisch.
Wir werden lieber vor anderen gelobt.
Die Armen können nicht fasten.
Sie haben
keine Wahl.
Sie müssen verzichten.
Wir aber haben die Chance,
aus dem bewussten Verzicht
neue Kraft zu gewinnnen,
aus dem bewussten Verzicht
neue Kraft zu gewinnnen,
damit den Armen endlich der Tisch gedeckt wird.
ursprünglich aus: Ungezählte Kreuzwegstationen.
Meditative Texte an den Stationen des Leidens.
In: Erhard Domay (Hg.): Gottesdienstpraxis Serie B, Passion
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1996, S. 151-152
Meditative Texte an den Stationen des Leidens.
In: Erhard Domay (Hg.): Gottesdienstpraxis Serie B, Passion
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1996, S. 151-152
Das Gesagte lässt sich an Beispielen aus Gandhis
Leben verdeutlichen. Sehr brauchbar ist dazu das Buch von Cathérine Clément:
Gandhi. Der gewaltlose Widerstand. Ravensburg: Maier 1991
oder aus:
oder aus:
Mahatma Gandhi: Worte des Friedens (Hg. und
Einleitung: Maria Otto). Freiburg u.a.:Herder 1992, 9. Aufl.
Die dortigen Gandhi-Texte sind nach den Seligpreisungen der Bergpredigt geordnet.
Die dortigen Gandhi-Texte sind nach den Seligpreisungen der Bergpredigt geordnet.
bearbeitet 28.03.2014
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