Freitag, 28. März 2014

Fasten - Herausforderung und Versuchung (nach Matthäus 4,1-11)



Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, aber nicht nur große Ereignisse brauchen Vorbereitung. Die Vorbereitung, der sich Jesus vor seiner Wanderpredigerzeit unterzog dauerte vierzig Tage, und zwar an einem Ort, der nicht gerade für Ablenkungen bekannt ist: die Wüste. Das sollte sich aber schnell als erheblicher Irrtum herausstellen.

Vierzig Tage auf Speise zu verzichten, das mag ja noch angehen, aber vierzig Tage in der Wüste legen auch die Nerven bloß. Da treten aus dem Dunkel des Unbewussten mancherlei verwegene Gestalten auf, die die im Fasten gespeicherte Kraft auf ihre Mühlen zu lenken versuchen, die abzulenken versuchen von sich selbst. Sich selbst verlieren aber heißt, sein Menschsein verfehlen. In  Zeiten des Verzichts kommen lange verdrängte Fragen, Hoffnungen, Wünsche und Verletzungen wieder hoch. Fastenzeiten sind darum immer auch Zeiten der Versuchung. Davon erzählen die drei  Versuchungen Jesu, die sich in immer neuen Variationen in der Seele eines jeden abspielen.

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er vom Teufel versucht würde. Und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: "Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden." Er aber antwortete und sprach: es steht geschrieben (5. Mose 8,3): "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes herausgeht" (Mt 4,1-4).

1. Versuchung: Der Hunger nach Leben
Wer sich so harten Entbehrungen unterzogen hat, weiß den Wert auch und gerade einer bescheidenen Speise zu schätzen. Wer solange gehungert hat, weiss um die elementaren Bedürfnisse des Menschen: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ (B.Brecht). Genau darauf setzt der Teufel, die Gestalt gewordene zweite Seite meines Ich, das auf alles Angenehme in dieser Zeit des Fastens verzichten musste. Was Wunder also, wenn man nach einer langen Magerkur Hunger hat. Aber das Wunder, daß aus Steinen Brot wird, findet nicht statt. Dafür findet ein anderes Wunder statt: materieller Verzicht hat spirituellen Reichtum zutage gefördert. Die Erinnerung an die Bibel hilft dabei, aber nicht immer, ganz im Gegenteil.

Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf eine der Tempelbrüstungen und sprach zu ihm: ‘Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Ps 91,11+12): >Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf Händen tragen, damit du deinen Fuss nicht an einen Stein stösst<. Da sprach Jesus zu ihm: ‘Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6,16): "Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen" (Mt 4,5-7).

2. Versuchung: Anerkennung und Bewunderung
Die Frommen sind nicht besser als alle anderen Voyeure. Die Bibelkenntnis dient zur Rechtfertigung der eigenen Interessen. Es ist schon phänomenal, wie unterschiedlich man die Bibel benutzen und instrumentalisieren kann. Selbst Jesus lässt sich vom Versucher mitziehen: Fasten in der Wüste ist absolut unspektakulär, keiner schaut zu, aber von der Tempelbegrenzungsmauer zu springen, das schafft Ehre, Begeisterung, Achtung und viele Fans, natürlich auch viele fromme Anhänger. Diese biblisch untermauerte Versuchung ist noch tückischer. Jesus setzt gegen seinen eigenen Geltungsdrang, gegen die eigene Eitelkeit, gegen sein eigenes missionarisches Bewusstsein und gegen die Sensationslust der Zuschauer, ein schlichtes: „Nein!“. Der Sprung von der Tempelmauer findet nicht statt. gerade weil das Ich nicht durch Leistung und Ansehen gestärkt wird, darum wird es stark. Das ist eine der seltsamsten Paradoxien: Gerade derjenige, der auf die bewundernswerte Leistung verzichtet, baut sein Selbstbewusstsein auf.

Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: "Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest." Da sprach Jesus zu ihm: "Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): >Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen<". Da verliess ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm (Mt 4,8-11).

3. Versuchung: Die Verführung zur Macht
Sie ist die absolut gefährlichste Versuchung; und fast jeder dürfte ihr schon erlegen sein, und jeder besonders, der mit Öffentlichkeit zu tun hat. Nicht nur Politiker geniessen es zuweilen, wenn das geschieht, was sie wollen, wenn sie wie man so schon sagt „an den Schalthebeln der Macht“ sitzen. Der Versucher hätte auch einfach sagen können: „Dies alles will ich dir geben, wenn du die Macht anbetest.“ Die noch so versteckte Gier nach der Macht ist am schwersten zu überwinden. Darum lässt der Teufel gleich die Maske fallen. Angesichts der Macht, die man haben könnte, braucht es kein Versteckspiel. Die Verführung zur Macht braucht keine Umwege, sie trifft einen Schwachpunkt menschlichen Daseins. Aber die Einsamkeit der Wüste hat Jesus gelehrt, die Macht zu durchschauen. So notwendig sie ist, man darf sich ihr nicht beugen, darum verzichtet Jesus. Er erkennt das Teuflische der Macht, darum läßt er sich mit vollem Risiko auf die Ohnmacht ein, auf die Macht der Machtlosen, auf die Macht der Sanftmütigen.

Jesus wurde vom Versucher auf einen sehr hohen Berg geführt: wahrhaftig eine riesige Versuchung. Dagegen ist der Berg der Bergpredigt (Mt 5,1-10) ein eher bescheidenes Hügelchen, aber dieser Berg der Bergpredigt hat es in sich, denn in dieser Rede wird gesagt, wie man den größten Versuchungen widersteht und damit zu wahrer Grösse heranreift.

Vier Gegenpositionen, eigentlich "Positiv-Positionen"

1)   Offene Augen: Man kann zwar vor der gegenwärtigen Situation die Augen verschliessen und sich in irgendwelche frommen Wolkenkucksheime flüchten, aber irgendwann findet der Absturz statt. Die „Wüste“ ist Realität. Sich ihr bewusst aussetzen, ermöglicht auch, ihre Gefahren realistisch einzuschätzen. Nur so kommt ,an zu einem „reinen Herz“ und einem „sanften Mut“. Hier werden nicht Steine in Brot verwandelt, aber es findet die Verwandlung eines Menschen statt. Nicht umsonst sagen viele Menschen nach einer Fastenkur, sie fühlten sich wie neugeboren. Das ist ein Wunder der anderen Art.

2)   Sich Gerechtigkeit und Barmherzigkeit leisten können: Das unwahrscheinliche Wunder tun können und es nicht tun, aus Ein-Sicht nicht zu springen und damit auf die Sensation und den Beifall der Menge verzichten um sich nicht den Blick für das Wesentliche verstellen zu lassen, das ist ein Sprung der anderen Kategorie: Der Sprung ins Vertrauen, der Sprung in dem Wissen, gehalten zu werden und Veränderungen nicht auf der Basis von macht und Gewalt durchsetzen zu müssen,, sondern aufgrund von Ein-Sicht zu können.

3)   Die Freiheit entdecken: Das Los-Lassen der Macht und der Weg von der Ein-Sicht auf das Sich-Ein-Lassen auf die Ohnmacht führt zu einer angeahnten Freiheit. Manchen hat schon der freiwillige und manchmal auch der erzwungene Verzicht auf eine berufliche Karriere oder das Erlangen von Ehre, Ruhm und hohen Tantiemen zu einem spirituellen Meister gemacht. Angesichts unserer zeitlichen, räumlichen und körperlichen  Begrenzungen kommt diese Haltung einem Bergsteiger ohne Sicherungsseil gleich. Das ist auf der einen Seite, der Versuchung der Macht widerstehen. Das ist auf der anderen Seite in der Ohnmacht die Macht der Liebe zu erkennen. Das ist die eigentliche Revolution, nämlich die Machtverhältnisse umkehren. Nichts fürchten die Mächtigen so sehr wie die Macht der Friedensstifter, deren sanfter Mut jedes Abschreckungspotential psychologischer oder materieller Art ad absurdum führt.

4) Frieden stiften: Wenn machtgeleitete Interessen aufgegeben, werden beginnt Friedensarbeit, der eine der Seligpreisungen gilt: „Selig sind die Friedensstifter.“ Frieden machen hat mit dem Fasten unmittelbar zu tun. Davon erzählt schon der griechische Kirchenvater Basilius d.Gr. im 4. Jh. in einer Predigt: 
  
Wenn aber alle Völker den Rat des Fastens annähmen, um ihre Fragen zu regeln, würde nichts mehr verhindern, dass tiefster Friede in der Welt herrsche; die Völker würden nicht mehr gegeneinander aufstehen, und auch die Heere würden einander nicht mehr in Stücke hauen. Es würden an abgelegenen Strassen keine Wegelagerer auf der Lauer liegen, in den Städten gäbe es keine Denunziationen mehr und auf der See keine Seeräuber. Unser ganzes Leben wäre nicht in so hohem Grade vom Stöhnen und Seufzen erfüllt, wenn das Fasten es regelte. Das Fasten würde alle lehren, die Liebe zum Geld, zu überflüssigen Dingen und, im allgemeinen, die Neigung zu Feindseligkeiten aufzugeben.

zitiert in: Anselm Grün OSB. Fasten.  Münsterschwarzacher Kleinschriften Nr. 23.
Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag 1984, S.19f)

Fasten schärft die Sinne,
Fasten macht nicht müde,
sondern gibt neue Kraft,
beim Fasten öffnet sich der Himmel,
aber nicht sofort und nur für die Dankbaren.

Fasten ist Nein sagen,
Nein zur täglichen Gier,
Nein zu Gewalt und Macht. 
Fasten ist,
das Selbstverständliche
 nicht selbstverständlich nehmen.
Fasten ist,
das wirklich Wichtige entdecken, allein durch Verzicht.
Verzicht allerdings hat seine Tücken.
Die Bibel nennt das Versuchung,
die Versuchung des
Größer, Schneller, Besser.
Wir haben alle unsere Schwächen und Macken.
Wir sitzen lieber am lecker gedeckten Tisch.
Wir werden lieber vor anderen gelobt.
Die Armen können nicht fasten.
Sie haben keine Wahl.
Sie müssen verzichten.
Wir aber haben die Chance,
aus dem bewussten Verzicht
neue Kraft zu gewinnnen,
damit den Armen endlich der Tisch gedeckt wird.    



ursprünglich aus: Ungezählte Kreuzwegstationen.
Meditative Texte an den Stationen des Leidens.
In: Erhard Domay (Hg.): Gottesdienstpraxis Serie B, Passion
 Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1996, S. 151-152



Das Gesagte lässt sich an Beispielen aus Gandhis Leben verdeutlichen. Sehr brauchbar ist dazu das Buch von Cathérine Clément: Gandhi. Der gewaltlose Widerstand. Ravensburg: Maier 1991
oder aus:
Mahatma Gandhi: Worte des Friedens (Hg. und Einleitung: Maria Otto). Freiburg u.a.:Herder 1992, 9. Aufl. 
Die dortigen Gandhi-Texte sind nach den Seligpreisungen der Bergpredigt geordnet.


bearbeitet 28.03.2014



 

Mittwoch, 12. März 2014

Stundenschläge - vom Tod zum Leben



Der Tod hat seine eigene Zeit
er schlägt
in der Nacht oder am Tage
er nimmt den Menschen hinweg
aus der messbaren Zeit
Er kündet das Ende
und gleichzeitig kündet er Neues

Jeder Karfreitag ist Todes Zeit
mit den Hammerschlägen
der Nacht
– Generell –
aber Ostern ist Lebenszeit
mit den Zeigern
der Ewigkeit
– Universell –



Die Nähe des Todes spüren
wenn ein Mensch geht
weg von uns Zeitlichen
heißt doch zugleich
er geht hin zu den Ewigen

Auch im Tode ist Gott
aber der Tod ist nicht Gott
sondern Gott ist unter dem Tod
Er hebt die Toten ins Leben –
in göttliches Leben –
geheimnisvoll angebrochen
an jenem Morgen
als das Grab leer war

Und das Leben erschien
gegen die Trauer
In neuem Licht
im Lichte des Ewigen

Jedes Mal wenn der Tod zuschlägt
sanft oder hart
schlägt eine neue Stunde
Es ist die Glocke zur Ewigkeit
Sie beginnt heute und hier –
im Tod,
aber sie ruft ins Danach

Keiner bleibt ausgenommen
der Auferstandene hat die Uhrzeiger
auf ewiges Leben gestellt





Gedichte/Oster-Stunden-Schlag